Messen in der Chemie
4. Vorlesung
Der letztgenannte Punkt kann in seiner Bedeutung kaum überschätzt werden.
pH-Papier, sondern eine spezielle Glas-Elektrode, die eine mit dem pH-Wert korrelierte Spannung erzeugt.
Dies sind nur einige wenige Beispiele für die elektrische Messung nicht-elektrischer Größen. Elektrische Messungen haben derartig überragende Vorteile, dass sie konventionelle Messverfahren auf breiter Front verdrängt haben. Hier sind nur wenige Beispiele von Vorteilen:
Es ist also von großer Bedeutung, dass wir in dieser Vorlesung schwerpunktmäßig moderne Messverfahren thematisieren, und herkömmliche Messverfahren manchmal etwas stiefmütterlich behandeln.
Im folgenden sind einige wichtige Zusammenhänge aus dem Bereich der Elektrizitätslehre aufgeführt, die man kennen muss, wenn man im Bereich der Physikalischen Chemie erfolgreich experimentieren will. Da wir es im Praktikum im wesentlichen mit Gleichströmen zu tun haben, werden wir die Modifikationen, die sich für Wechselströme ergeben, nicht behandeln.
Es handelt sich hierbei um den momentanen Strom; dies ist ganz analog zur Momentangeschwindigkeit \(v = \tfrac{\diff s}{\diff t}\) zu verstehen.
und bei zeitlich konstantem Strom: \begin{equation} I = \frac {Q}{\Delta t} \end{equation}Wird also zum Beispiel durch einen Draht während einer Sekunde eine Ladungsmenge von \(1\;{\rm C}\) transportiert, so beträgt die Stromstärke: \(I = \frac{1\;{\rm C}}{\rm s}\).
\(1\;{\rm C}\) ist eine riesenhaft große Ladungsmenge, wenn man die Größe der elektrischen Elementarladung zum Vergleich heranzieht; diese ist gleich \(e_0 = 1,602\cdot 10^{-19}\,{\rm C}\). \(1\;{\rm C}\) entspricht daher ungefähr \(6.300.000.000.000.000.000\) Elementarladungen. Diese werden von dem oben erwähnten Glühlämpchen während einer Sekunde durch den Glühdraht transportiert.
Angesichts des geradezu unglaublich kleinen Wertes der elektrischen Elementarladung ist es für alle praktischen Zwecke makroskopischer Experimente angemessen, die Elementarladung als infinitesimal kleine Größe zu behandeln und Größen wie den elektrischen Strom als stetige, kontinuierlich Größen zu betrachten. Der mathematische Apparat der Differentialrechnung kann daher auf solche Größen sinnvoll angewendet werden, obwohl die Größen eigentlich
quantisiert sind; dies tritt auf makroskopischer Ebene praktisch nie in Erscheinung.
Volt, das Einheitenzeichen ist \({\rm V}\): \[ 1\;\frac{\rm J}{\rm C} = 1\;{\rm V}. \]
Das bedeutet in Worten: Wenn eine Ladung von \(1\;{\rm C}\) an einem Ort eine potentielle Energie von \(1\;{\rm J}\) aufweist, so ist das Potential an diesem Ort gleich \(1\;{\rm V}\).
Eine Ladung bewegt sich freiwillig nur von einem Ort A zu einem Ort B, wenn am Ort B das elektrische Potential \(\epsilon\) kleiner ist als am Ort A.
Die Abnahme der potentiellen Energie des geladenen Teilchens ist gleich seiner Ladung, multipliziert mit der Potentialdifferenz \(\Delta \epsilon\) der beiden Orte: \begin{equation} \Delta E_{\rm pot} = Q \cdot \Delta \epsilon. \end{equation}Der Unterschied der elektrischen Potentials \(\Delta \epsilon\) zwischen den beiden Orten wird als elektrische Spannung bezeichnet und gewöhnlich mit dem Symbol \({U}\) versehen. Eine Spannung ist gleich der elektrischen Potentialdifferenz zwischen zwei Ortspunkten.
Beispielsweise haben die beiden Pole einer gewöhnlichen Batterie ein unterschiedliches Potential \(\epsilon\); verbindet man die Pole mit einem Draht, so fließen Elektronen vom Ort höheren Potentials zum Ort niedrigeren Potentials. Die Potentialdifferenz ist gleich der Spannung \(U\) der Batterie.
Da es sich bei \(U\) um eine Potentialdifferenz \(\Delta \epsilon\) handelt, und die Einheit des elektrischen Potentials das Volt ist, ist auch die Einheit der Spannung das Volt:
\[ [U] = {\rm V}. \]Die Einheit der elektrischen Spannung und des elektrischen Potentials sind einander gleich, weil die elektrische Spannung nichts ist als die Differenz zweier elektrischer Potentiale.
Wie bei jeder grundlegenden Einheit wird auch bei der Spannung die Einheit durch eine experimentelle Einrichtung definiert, die eine so und so große Spannung erzeugt. Bis 1990 wurde die Spannung mittels des Weston-Normalelements (Elektrochemische Zelle, 2 Elektroden aus Hg und Cd-Amalgam, die in eine gesättigte CdSO\(_4\)-Lösung tauchen). Das Weston-Normalelement liefert eine Spannung von \(U_{\rm Weston}= 1,01865\;{\rm V}\).Jedes materielle Medium setzt der Bewegung der Ladung eine Art Reibungswiderstand (elektrischer Widerstand \(R\)) entgegen, der den Stromfluss begrenzt. Ist der Widerstand groß, so wird zum Transport derselben Ladungsmenge eine höhere Spannung benötigt, als bei einem kleineren Widerstand der Fall wäre. Daher liegt es nahe, den elektrischen Widerstand zu definieren als das Verhältnis
\begin{equation} \label{Widerstand_Definition}
R = \frac {U}{I}.
\end{equation}
Die Einheit des elektrischen Widerstandes \(R\) ist:
\[
[R] = \frac{\rm V}{\rm A} = \Omega
\]
und wird als Ohm
bezeichnet. (Während bei bei Ampere und Volt die lateinischen Großbuchstaben \({\rm A}\) und \({\rm V}\) verwenden, wird bei Ohm der griechische Buchstabe \(\Omega\) genutzt, um Verwechslungen mit der Ziffer Null zu vermeiden.
Beispiel: Legt man an einen Draht mit dem Widerstand \(R = 5\;\Omega\) eine Spannung von \(U=9\;{\rm V}\) an (Transistorbatterie), so fließt ein Strom von \begin{equation*} I = \frac {U}{R} = \frac {9\;{\rm V}}{5\;\Omega}= 1,8\;{\rm A}. \end{equation*}
Wenn wir weiter oben sagten: Jedes materielle Medium setzt dem Stromfluss einen Widerstand entgegen, der den Stromfluss begrenzt
, so stimmt das unter modernen Gesichtspunkten nicht ganz. Es gibt sogenannte supraleitende Materialien, in denen sich die Elektronen aufgrund eines quantenmechanischen Effektes vollkommen anders verhalten (sie bilden sogenannte Cooper-Paare) als in gewöhnlicher Materie. Dieser Sonderfall ist für uns ohne jede praktische Bedeutung.
Einen besonders niedrigen elektrischen Widerstand weisen bekanntlich die Metalle auf. Häufig können wir bei metallischen Kabeln den Widerstand der Kabel vollkommen vernachlässigen. Bei sehr langen elektrischen Leitungen (Überlandleitungen) kommt dem Widerstand der Leitung aber eine große Bedeutung zu; er ist der Grund, warum die Spannung in Überlandleitungen viele hunderttausend Volt beträgt. Näheres hierzu werden wir weiter unten erklären.
Sie können sich leicht klarmachen, dass \(U \cdot I\) tatsächlich einer Leistung entspricht. Leistung ist definiert als Energie \(E\) je Zeiteinheit \(t\). Wir finden nun durch einfaches Einsetzen: \[ {U \cdot I = \frac{E}{Q} \cdot \frac {Q}{t} = \frac{E}{t} = P. } \] Beispiel: Bei einer Elektrolyse von wässriger NaOH-Lösung wird eine Spannung von \(16\;{\rm V}\) bei einem Stromfluss von \(0,2\;{\rm A}\) verwendet. Die elektrische Leistung beträgt dann \[ P=16\;{\rm V} \cdot 0,2\;{\rm A} =3,2\;{\rm W}. \]
Aus der Definition der elektrischen Leistung erhält man zusammen mit Gl. \ref{Widerstand_Definition}: \begin{equation} P = U \cdot I = \frac {U^2}{R} = I^2 \cdot R. \end{equation}
Konstantheißt: unabhängig von der angelegten Spannung.
Wenn der Widerstand von der angelegten Spannung unabhängig ist, ergibt sich in einer Stromspannungskurve, bei der man den fließenden Strom als Funktion der anliegenden Spannung aufträgt, eine Gerade.
In sehr vielen und wichtigen Fällen weichen aber solche Kurven von einem linearen Verlauf sehr deutlich ab.Dann gilt für den betreffenden Widerstand also das Ohmsche Gesetz nicht. Aber es gilt immer noch, dass der Widerstand \(R=U/I\) an jedem Punkt der Kurve. Nur ist dann \(R\) keine Konstante mehr. Die Abbildung 1 zeigt als Beispiel einen Ohmschen Widerstand (gerade Stromspannungskurve) und eine Glühbirne (wegknickende Stromspannungskurve).}
Hinweise:
Ähnlich wie in der Chemie gibt es auch im Bereich der Elektrizitätslehre Symbole, mit deren Hilfe elektrische Aufbauten auf einfache Weise gezeichnet werden können. Dabei treten für die einzelnen Bauelemente normierte Schaltzeichen auf. Diese werden in der Abbildung 2 gezeigt.
Wie Sie sehen, sind die Widerstände verschieden dick und lang. Das liegt daran, dass man sie mit unterschiedlich hohen Strömen beschicken kann, ohne dass sie zerstört werden. Neben dem Widerstandswert in \(\Omega\) sind die wichtigsten Eigenschaften, auf die beim Kauf eines Widerstandes zu achten sind, die zulässige Leistung und die Genauigkeit (Toleranz) des Widerstandes. Die Toleranz wird in der Farbkodierung mit angegeben. So bedeutet beispielsweise eine silberner Farbring eine Toleranz des Widerstandswertes von \(\pm 10\%\).
Die Abbildung 4 zeigt die vielleicht einfachste elektrische Schaltung, die es gibt: sie besteht aus einer Spannungsquelle (dargestellt durch einen langen Strich, dem Pluspol, und einen kürzeren Strich, dem Minuspol), einem Ohmschen Widerstand (dargestellt durch ein Rechteck, und Verbindungsleitungen (dargestellt durch einfache Striche).
In Abbildung 4 ist auch die Stromrichtung durch Pfeile gekennzeichnet. Der Strom fließt von Plus nach Minus. Der hier eingezeichnete Strom wird als technischer Strom bezeichnet. Der physikalische Strom, ein Elektronenstrom, fließt vom Minuspol zum Pluspol der Quelle (also gerade umgekehrt wie eingezeichnet). Die technische Stromrichtung wurde festgelegt, bevor die physikalische Natur der bewegten Ladungsträger (Elektronen) bekannt war.
Durch die Festlegung einer technischen Stromrichtung macht man sich von der Natur der Ladungsträger unabhängig. Elektronen fließen von Minus nach Plus, aber Kationen fließen von Plus nach Minus; ebenso Positronen.
In der eben gezeigten Abb. 4-4 ist die Schaltung als Schaltkreis dargestellt. Es wird betont, dass der Stromkreis geschlossen sein muss. In vielen Fällen ist es aber günstiger, die Schaltung in einer Potentialdarstellung darzustellen; dieselbe Schaltung wie in Abb. 4 zeigt die Abb. 5 als Potentialdarstellung. Wir ziehen sozusagen die beiden Striche der Spannungsquelle auseinander und zeichnen sie oben (Pluspol) und untern (Minuspol) in die Skizze. Man erkennt, wie der Strom vom Ort höheren Potentials zum Ort tieferen Potentials herunterfließt
. Diese Darstellungsart werden wir oft verwenden.
Wir könnten hier auch sagen: der Pluspol (oben) ist eine Stromquelle, und der Minuspol ist eine Stromsenke.
Der Gesamtwiderstand ist bei einer Reihenschaltung gleich der Summe der Einzelwiderstände: \begin{equation} \label {Gl_Serienschaltung} R=R_1+R_2+\ldots = \sum_iR_i. \end{equation}
In unserem Fall (Abb. 4-5) ist also \(R = R_1 + R_2\). Ist \(R_1=100\;\Omega\) und \(R_2 = 200\;\Omega\), so ist der Gesamtwiderstand beider Widerstände zusammengenommen also gleich \(300\;\Omega\).
Für eine gegebene Spannung \(U_0\) ergibt sich der fließende Strom bei Reihenschaltung von Widerständen: \begin{equation} \label {Gl_I_Serie} I = \frac {U_0}{R} = \frac {U_0}{\sum_iR_i}. \end{equation}
Für die einzelnen Spannungen \(U_i\) gilt, wenn \(U_0\) die Gesamtspannung ist: \begin{equation} U_i = U_0 \cdot \frac {R_i}{R} \end{equation}
Speziell bei zwei in Reihe geschalteten Widerständen \(R_1\) und \(R_2\) gilt: \begin{equation} \label{eqU1} U_1=U_0 \cdot \frac {R_1}{R_1+R_2} \end{equation} und \begin{equation} \label{eqwU2} U_2=U_0 \cdot \frac {R_2}{R_1+R_2}. \end{equation}
Teilen wir die beiden Gleichungen \ref{eqU1} und \ref{eqwU2} durcheinander, so ergibt sich: \begin{equation} \label{eqwU1U2} \frac {U_1}{U_2} = \frac {R_1}{R_2}. \end{equation}
Die an den Widerständen \(R_1\) und \(R_2\) abfallenden Spannungen \(U_1\) und \(U_2\) verhalten sich zueinander wie die Widerstände. Ist \(R_2\) doppelt so groß wie \(R_1\), dann ist auch \(U_2\) doppelt so groß wie \(U_1\).
Die Summer der beiden Spannungen \(U_1\) und \(U_2\) ist gleich der Spannung \(U_0\).
Eine Anordnung aus zwei in Reihe geschalteten Widerständen an einer gemeinsamen Spannungsquelle wird als Spannungsteiler bezeichnet. Die anliegende Spannung \(U_0\) wird in die an den Widerständen \(R_1\) und \(R_2\) abfallende Spannung \(U_1\) und \(U_2\) aufgeteilt.
Die Abb. 4-6a zeigt dieselbe elektrische Situation in Potentialdarstellung:Spannungsabfall. Die Spannung \(U_0\) ist unterhalb des Widerstandes R1 um \(U_1\) vermindert; die Spannung ist um \(U_1\) auf \(\left(U_0 - U_1\right)\) abgefallen. Die Summe der Spannungsabfälle \(U_1\) und \(U_2\) ist gleich der ursprünglichen Spannung \(U_0\).
An beiden Widerständen \(R_1\) und \(R_2\) liegt dieselbe Spannung \(U\) an; wir haben es hier also nicht mit einem Spannungsteiler zu tun. Der fließende Strom \(I\) verzweigt sich in die Teilströme \(I_1\) und \(I_2\),die durch die Widerstände \(R_1\) und \(R_2\) fließen (die beiden folgenden Gleichungen sind nichts anderes als das Ohmsche Gesetz): \begin{equation} \label{eqParallel1} I_1=\frac {U}{R_1} \end{equation} und \begin{equation} \label{eqParallel2} I_2 = \frac {U}{R_2}. \end{equation} Zusammen \begin{equation} \frac {I_1}{I_2}=\frac {R_2}{R_1}. \end{equation}
Bei einer Parallelschaltung verhalten sich die fließenden Ströme umgekehrt wie die Widerstände.
Der fließende Gesamtstrom \(I\) muss die Summe der beiden Teilströme \(I_1\) und \(I_2\) sein (bei der Aufteilung des Stromes in 2 Teilströme bleibt die Summer der beiden Teilströme unverändert): \begin{equation*} I = I_1 + I_2 \end{equation*} und mit den Gl. \ref{eqParallel1} und \ref{eqParallel2}: \begin{equation*} I = \frac {U}{R_1} + \frac {U}{R_2}. \end{equation*} Teilen wir beide Seiten dieser Gleichung durch U, so finden wir: \begin{equation*} \frac {I}{U}= \frac {1}{R_1} + \frac {1}{R_2}. \end{equation*}
\(\frac{I}{U}\) ist aber nach dem Ohmschen Gesetz nichts anderes als der Kehrwert des Gesamtwiderstandes \(R\): \begin{equation*} \frac{I}{U} = \frac{1}{R}. \end{equation*}
Bei einer Parallelschaltung von Widerständen addieren sich die Kehrwehrte der Widerstände zum Kehrwert des Gesamtwiderstandes. Dabei kann die Zahl parallel geschalteter Widerstände beliebig groß sein: \begin{equation} \label {Gl_Parallelschaltung} \frac {1}{R} = \frac {1}{R_1} + \frac {1}{R_2} + \dots = \sum_i \frac{1}{R_i}. \end{equation} Der Kehrwert des Widerstandes wird auch als Leitwert \(L\) bezeichnet. Die Einheit des Leitwertes ist das Siemens \({\rm S}\): \begin{equation*} 1\;{\rm S} = 1\;\Omega^{-1}. \end{equation*}
Beachten Sie folgende Gegenüberstellung des Leitwertes bei Reihen- und Parallelschaltung:
Reihenschaltung: \begin{equation} L=\frac{1}{R}=\frac {1}{R_1+R_2+(\cdots)} = \frac{1}{\sum_{i} R_i} \end{equation}
Parallelschaltung:
\begin{equation}
L=\frac {1}{R} = \frac {1}{R_1} + \frac {1}{R_2} + (\cdots) = \sum_{i} \frac{1}{R_i}
\end{equation}
Aus Widerständen können komplexe Netzwerke konstruiert werden. Die Berechnung der elektrischen Parameter dieser Netzwerke kann aufwändig sein (man benötigt im allgemeinen Methoden der Matrizenrechnung). In einfachen Fällen ist es aber möglich, den Widerstand eines Netzwerkes zu berechnen.
Beispiel 1 zeigt eine Schaltung aus drei Widerständen. Wir wollen den Gesamtwiderstand der Anordnung berechen.
Beispiel 2 zeigt eine Schaltung aus drei Widerständen zu je \(100\;\Omega\).
Berechnung des Gesamtwiderstandes:
Beispiel 3 zeigt eine Schaltung aus vier Widerständen zu je \(100\;\Omega\). Drei Widerstände sind parallel geschaltet und in Serie mit dem vierten Widerstand geschaltet.
Berechnung des Gesamtwiderstandes:
Wir werden nun abschließend eine Thematik besprechen, die Studierenden im Praktikum erfahrungsgemäß häufig Schwierigkeiten bereitet, obwohl sie eigentlich einfach zu verstehen ist. Sie haben bereits alle Vorkenntnisse, um die Sache problemlos zu erfassen.
Wir sagten bereits weiter oben, dass jedes materielle Medium dem elektrischen Stromfluss einen Widerstand entgegensetzt, der den Stromfluss hemmt.
Wir wissen außerdem bereits, dass an jedem Widerstand eine Spannung abfällt.
Betrachten wir nun eine elektrochemische Spannungsquelle (eine Batterie
), dann haben wir es zweifellos mit einem materiellen Ding zu tun, das aus unterschiedlichen Materialien besteht, beispielsweise Elektroden und Elektrolytlösungen. Diese Materialien werden sicherlich einen elektrischen Widerstand aufweisen, und daher wird an ihnen bei Stromfluss auch eine Spannung abfallen. Der Spannungsabfall am inneren Widerstand der Spannungsquelle ist durch das Ohmsche Gesetz \(U=R\cdot I\) gegeben, wenn wir näherungsweise annehmen, dass der Innenwiderstand ein Ohmscher Widerstand ist. Der Spannungsabfall am Innenwiderstand ist also umso größer, je größer der fließende Strom ist.
Es ist daher etwas naiv und nicht sehr realistisch, eine Spannungsquelle einfach durch ein Symbol aus einem langen und einem kurzen Strich zu bezeichnen. Viel realistischer ist es, ein sogenanntes Ersatzschaltbild anzufertigen, dass der Tatsache Rechnung trägt, dass die Spannungsquelle auch einen eigenen, eingebauten
Widerstand aufweist. Wir trennen in Gedanken sozusagen die reale Spannungsquelle auf in eine ideale Spannungsquelle \(U_0\) und zusätzlich in einen Widerstand, den wir als ihren Innenwiderstand \(R_i\) bezeichnen.
Das Ersatzschaltbild ist in der Abbildung 8 gezeigt:
Hinweis: unser Ersatzschaltbild ist immer noch nicht ganz realistisch, denn der Innenwiderstand einer Spannungsquelle ist in Wirklichkeit kein Ohmscher Widerstand. Darauf gehen wir hier aber nicht näher ein. Im Praktikumsversuch Brennstoffzelle
spielt dies eine wichtige Rolle. Die Abweichungen vom Ohmschen Gesetz sind ein zentrales Thema der Elektrochemie.
In der Abb. 4-9 sehen wir eine Schaltskizze für das Anlegen eines äußeren Widerstandes an diese Spannungsquelle. Bei dem äußeren Widerstand kann es sich um irgendeinen elektrischen Verbraucher handeln, beispielsweise ein Glühlämpchen, das wir hier näherungsweise als Ohmschen Widerstand auffassen wollen.
Wenn Sie die Abb. 4-9 betrachten, so werden Sie feststellen, dass \(R_i\) und \(R_L\) in Reihe geschaltet sind, also gerade so wie in der Abbildung 6. Elektrisch ist das genau das gleiche, lediglich ist einer der beiden Widerstände (nämlich \(R_i\)) nun in die Spannungsquelle integriert
. An beiden Widerständen fällt also eine Spannung ab. Dabei gelten die Gesetze, die in den Gleichungen \ref{eqU1}, \ref{eqwU2} und \ref{eqwU1U2} weiter oben notiert worden sind.
Wenn die Spannungsquelle mit dem Lastwiderstand \(R_L\) belastet wird, dann teilt sich die Spannung \(U_0\) der idealisierten Spannungsquelle auf in eine Spannung, die an \(R_i\) abfällt (der sogenannte innere Spannungsabfall \(U_i\)), und in eine Spannung, die am Lastwiderstand \(R_L\) abfällt. Dieser Spannungsabfall wird auch als Klemmspannung \(U_{Kl}\) bezeichnet, weil die Spannung an den Klemmen der Batterie auftritt, wenn sie belastet wird.
Es ist also
\[ U_0 = U_i + U_{Kl} \] und nach dem Ohmschen Gesetz \(\left(U = R \cdot I\right)\): \[ U_0 = R_i \cdot I + U_{Kl} \] und nach \(U_{Kl}\) aufgelöst erhalten wir die sehr wichtige Gleichung: \begin{equation} \label{eqKlemmspannungGerade} U_{Kl} = U_0 - R_i \cdot I \end{equation}Die Klemmspannung nimmt also mit zunehmender Stromstärke immer weiter ab. Je stärker eine Spannungsquelle belastet wird, desto kleiner ist die verfügbare Klemmspannung der Quelle. Dieser Zusammenhang ist graphisch in der Abb. 4-10 gezeigt.
Tragen wir die Klemmspannung über der Belastungsstromstärke auf, so erhalten wir eine Gerade, deren Steigung den Innenwiderstand der Spannungsquelle und deren Achsabschnitt die Leerlaufspannung ergibt.
Die Leerlaufspannung \(U_0\) (in der Abbildung 10 mit \(U_{\rm le}\) bezeichnet) ist die Spannung der Quelle, wenn überhaupt kein Strom fließt. Dann kann am Innenwiderstand \(R_i\) auch keine Spannung abfallen: das Ohmschen Gesetz gilt auch für den Innenwiderstand: \(U_i =R_i\cdot I\), und mit \(I=0\) ist auch der Spannungsabfall \(U_i\) am Innenwiderstand \(R_i\) gleich Null. Sie ist mit der Spannung \(U_0\) der idealisierten Spannungsquelle identisch. Der Strom \(I\) kann durch Messung der Klemmspannung \(U_{Kl}\) bei bekannten Lastwiderständen gemessen werden (Ohmsches Gesetz): \begin{equation} \label{eqKlemmspannung} I = \frac {U_{Kl}}{R_a}. \end{equation}
Der Kurzschlussstrom stellt sich ein, wenn die Pole der Spannungsquelle mit einem Draht verbunden werden (Kurzschluss
). Der Widerstand des Drahtes ist näherungsweise gleich Null, und die gesamte Spannung fällt am Innenwiderstand ab. Längs des Drahtes lässt sich keine Spannung messen, d.h. \(U_{\rm Kl} = 0\). Der Kurzschlussstrom wird ausschließlich durch den Innenwiderstand der Quelle und die Leerlaufspannung festgelegt (vgl. Übungsaufgabe Q69).
Trägt man wie in der Abb. 4-10 die Klemmspannung über dem Belastungsstrom auf, so erhält man den Innenwiderstand der Quelle aus der Steigung der Ausgleichsgeraden. Aus Gl. \ref{eqKlemmspannungGerade} folgt: \begin{equation} \frac{\Delta U_{\rm Kl}}{\Delta I} =\; – R_i. \end{equation}
Beispiel: Eine Spannungsquelle weist den Innenwiderstand \(R_I=100\;\Omega\) auf, ihre Leerlaufspannung beträgt \(U_0 = 10\;{\rm V}\). An diese Quelle wird ein Lastwiderstand von \(R_L =10\;\Omega\) angelegt. Welche Klemmspannung liegt an \(R_L\) an?
Lösung: \begin{equation*} U_{kl}=10\;{\rm V} - 100\;\Omega \cdot I. \end{equation*} Den fließenden Strom erhalten wir aus dem Ohmschen Gesetz mit \begin{equation*} R = R_i + R_a = 110\; \Omega. \end{equation*} \begin{equation*} I=\frac {10\;{\rm V}} { 110\;\Omega} = \tfrac {1}{11}\;{\rm A}. \end{equation*} Also beträgt die Klemmspannung: \[ U_{kl}=10\;{\rm V} - 100\;\Omega \cdot \frac{1}{11}\;{\rm A} = \tfrac{10}{11}\;{\rm V} \approx 0,91\;{\rm V}. \] Von den ursprünglichen 10 V der Spannungsquelle sind also durch die ungünstige Lage des Spannungsteilers gerade noch 0,91 V übrig geblieben!
Die Klemmspannung bei gegebenem Lastwiderstand erhält man durch Umstellen von Gl. \ref{eqKlemmspannungGerade} unter Berücksichtigung der Tatsache, dass \(I = \frac{U_{kl}}{R_a}\): \[ U_{kl} = \frac{U_{0}}{1 + \frac{R_i}{R_{a}}} \]
Aufgelöst nach dem Lastwiderstand ergibt sich
\[ R_a = \frac{R_i \cdot U_{kl}}{U_0-U_{kl}}. \]Nachfolgend werden Messdaten zu einer galvanischen Kette ausgewertet. Man legt Lastwiderstände an die Quelle an und misst die Spannung, die am Lastwiderstand abfällt. Man gelangt zu folgender Tabelle:
\(\frac{R_a}{\rm \Omega}\) | \(\frac{U_{kl}}{\rm V}\) |
1 | 0.23 |
2 | 0.37 |
3 | 0.46 |
5 | 0.58 |
10 | 0.70 |
20 | 0.82 |
25 | 0.84 |
50 | 0.90 |
Wir übertragen die Werte nach Igor, indem wir eine neue Tabelle öffnen. Dies erfolgt mit dem Befehl edit.
Das Ergebnis sollte ungefähr so aussehen:
Zum jeweils fließenden Strom gelangen wir, indem wir uWave durch rWave teilen.
Dazu machen wir eine neue Wave als Container für die Ergebnisse; das geht am einfachsten, indem wir eine der beiden Waves duplizieren und danach die Division durchführen:
Die Igor-Tabelle sieht jetzt wie folgt aus:
Wir stellen die Rohdaten graphisch dar. Hierzu müssen wir die Werte aus rWave als "x-Daten" auffassen und die gemessene Klemmspannung yWave als Container für die y-Daten. Der Befehl zum Auftragen einer Wave über einer anderen lautet:
Resultat:
Viel wichtiger ist die Darstellung der Klemmspannung über dem fließenden Strom, der in iWave enthalten ist:
Ergebnis:
Die Punkte liegen erwartungsgemäß annähernd auf einer Geraden. Wir wissen schon, dass die Steigung der Geraden den Innenwiderstand liefert; die Extrapolation auf \(U_{kl} = 0\) ergibt den Kurzschlussstrom, Extrapolation auf \(I=0\) liefert die Leerlaufspannung.
Um dies graphisch darzustellen, ändern wir den Bereich der beiden Achsen (Doppelklick auf eine Achse, Unterbereich RANGE in der Dialogbox, bottom-Achse Bereich 0-0.35, left-Achse 0-1). Resultat:
Jetzt wollen wir die Ergebnisse von Igor auswerten lassen. Wir klicken einmal auf die umskalierte Graphik, so dass sie das aktive Fenster ist, und und wählen dann in der Menüleiste: ANALYSIS → CURVE FITTING…
Wir übernehmen die Einstellungen aus den beiden nachfolgenden Abbildungen.
Die Geradengleichung lautet in Igor: \(y = a + bx\); das entspricht unserem \(y=m\cdot x + n\), d.h. a entspricht n und b entspricht m. Wir klicken dann auf Do it. Ergebnis in der History:
fit_uWave= W_coef[0]+W_coef[1]*x
W_coef={0.94293,-3.1212}
V_chisq= 0.000866665;V_npnts= 8;V_numNaNs= 0;V_numINFs= 0;
V_startRow= 0;V_endRow= 7;V_q= 1;V_Rab= -0.823778;
V_Pr= -0.998954;V_r2= 0.997909;
W_sigma={0.0075,0.0583}
Coefficient values ± one standard deviation
a =0.94293 ± 0.0075
b =-3.1212 ± 0.0583
Das Ergebnis des Line fit
wird von Igor in die Graphik eingetragen:
Line Fitder Daten aus Abb. 4-14.
Der Fit-Parameter a=0.94293 ± 0.0075 entspricht der Leerlaufspannung; b = -3.1212 ± 0.0583 ist bis auf das Vorzeichen gleich dem Innenwiderstand \(R_i\).
Beachten Sie, dass die angegebenen Fehler Standardabweichungen sind und nicht der Fehler des Mittelwertes (zum Unterschied vgl. 4. und 5. Vorlesung). Es ist in der Literatur üblich, die Standardabweichung anzugeben, und so halten wir es auch im Praktikum; ganz richtig ist dies aber nicht. Wir wollen es dennoch beibehalten. Im Sinne unserer Rundung von Wert und Fehler ergibt sich also: \[U_0 = 0,94 \pm 0,01 {\rm \; V} \] \[R_i = 3,12 \pm 0,06 {\rm \; \Omega} \] Die Gleichung \ref{eqKlemmspannungGerade} lautet für unser galvanisches Element also: \[U_{kl} = 0,94\;{\rm V} - 3,12\;{\rm \Omega} \cdot I.\] Damit können wir auch den Kurzschlussstrom \(I_k\) ermitteln, denn dieser fließt, wenn \(U_{kl}=0\): \[0,94\;{\rm V} - 3,12\;{\rm \Omega} \cdot I_{k} = 0\] \[ I_k = \frac{\rm 0,94\;V}{3,12\;{\Omega}} = 0,3013\;{\rm A} \] \[\delta I_k = \sqrt{\delta U_{0}^2 + \delta R_{i}^2} = \sqrt{\left(\frac{0,01}{0,94}\right)^2 + \left(\frac{0,06}{3,12}\right)^2} = 0,022 \] \[\Delta I_k = \delta I_k \cdot I_k = 0,0066 \; {\rm A} \] \[ I_k = \left(0,301 \pm 0,007\right)\;{\rm A}, \]
oder vielleicht aus Vorsicht:
\[ I_k = \left(0,30 \pm 0,01\right)\;{\rm A}. \]Damit sind die experimentellen Daten ausgewertet.
Hier ist eine sehr brauchbare Webseite zu Grundlagen der Elektrotechnik und Elektronik: Link zum Elektronik-Kompendium; insbesondere der dortige Unterpunkt Elektronik Grundlagen
ist für unsere Zwecke eine Goldgrube. Die Seite richtet sich vom
Anspruch her eher an Elektrotechnik- und Elektronik-Azubis und ist sehr gut lesbar (im Gegensatz zu vielen Hochschul-Physikbüchern). Empfehlenswert. Schnuppern Sie ruhig mal da rein.
Indem wir in dieser Lerneinheit elektrotechnische Grundlagen kennengelernt haben, haben wir das Rüstzeug erworben, um in der kommenden Lerneinheit die messtechnischen Konsequenzen dieser Grundlagen zu verstehen. Wir werden uns zunächst klassischen Messmethoden für Strom, Spannung und Widerstand zuwenden. Die modernen, digitalen Methoden übersteigen noch unsere Kenntnisse; davon trennen uns noch viele Zwischenschritte, insbesondere ein Verständnis des elektrischen Verhaltens von Halbleitern. Wir werden also schrittweise vorgehen und uns allmählich denjenigen Messverfahren annähern, die tatsächlich in Laboren verwendet werden.